Widerrufsjoker bald Geschichte?

Er ist ein Geschenk für viele Darlehensnehmer: Wer den Widerrufsjoker zieht, beruft sich auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung in seinem Kreditvertrag und kann diesen daher theoretisch auch noch Jahre später widerrufen. Meist endet das in einem Vergleich mit der Bank und einer Umschuldung in einen durch das aktuelle Zinstief günstigeren Kredit mit enormen Einsparungen durch die gesparte Vorfälligkeitsentschädigung und bedeutend geringere Zinsen. Bei Immobilienfinanzierungen befinden sich die gesparte Summe je nach Restlaufzeit oft im vier- bis fünfstelligen Bereich.

Viele Zigtausend von den Verbraucherzentralen und spezialisierten Anwälten geprüften Verträge ergaben in den letzten Jahren ein klares Bild: 80 Prozent der Finanzierungen enthielten eine solche falsche Widerrufsbelehrung. Für die Banken ein Horrorszenario durch den hohen personellen und finanziellen Aufwand, um alle Auseinandersetzungen mit ihren Kreditkunden aus der Welt zu schaffen.

Nun ist eine Gesetzesänderung in Arbeit, die diesem verbraucherfreundlichen Recht einen Riegel vorschieben soll. Banken, Verbraucherschützer und Juristen rangeln um eine sinnvolle Variante, nachdem die Bundesregierung im Herbst einen stark kritisierten Gesetzentwurf für die Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR) in nationales Recht vorgelegt hat. Bisher ist auch nur dieser erste  Entwurf bekannt, so dass sich noch etliches ändern kann und Vorteile zugunsten Kreditgebern oder Kreditnehmern noch nicht zu erkennen sind. Bis zum 21. März 2016 muss die Bundesregierung die EU-Richtlinie schließlich umgesetzt haben.

Der Entwurf sieht bisher vor, dass Ansprüche aus fehlerhaften Widerrufsbelehrungen endgültig nach 12 Monaten und 14 Tagen verfallen sollen. Diese Regel soll aber nur gelten, wenn die Verträge nach dem Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen wurden. Zwar sind demnach bestehende Kreditverträge nicht vom Wegfall des unbegrenzten Widerrufsjokers betroffen, jedoch gibt es Gerüchte, dass auch für bestehende Finanzierungen der Kreditjoker nur noch 3 Monate danach gelten soll. Wer also noch nicht seine bestehende Immobilienfinanzierung geprüft hat, sollte dies schleunigst tun.

Die Banken pochen in ihrer Kritik am aktuelle Zustand und dem ersten Entwurf nicht nur darauf, dass ihnen durch den ewigwährenden Widerrufsjoker ein hoher wirtschaftlicher Schaden entsteht, sondern dass dieser auf einem fehlerhaften Muster des Gesetzgebers beruht, das der Bundesgerichtshof in seinem berüchtigten Urteil als unwirksam erachtet hat.

Mittlerweile ändern einige Banken auch ihre Strategie und lassen es statt auf einen Vergleich öfter auf einen langwierigen Prozess ankommen. Mit ungewissem Risiko für den Kreditnehmer, da der Kreditvertrag dann individuell und je nach Gericht anders bewertet wird. Im Fall, dass die Richter dann bankenfreundlich entscheiden, bleibt der Kunde auf den nicht unerheblichen Prozesskosten sitzen. Durch dieses Risiko und der Tatsache, dass nicht mehr unbedingt die Rechtschutzversicherung einspringt, sprechen Experten mittlerweile sogar vom Widerrufspoker.

Selbst bei einem gewonnenen Prozess ist ein weiteres Risiko, dass die Ablösung des alten Vertrags noch nicht durch eine neue Finanzierung gesichert ist. Man hat dafür zwar 30 Tage Zeit, doch ist zunehmend zu erkennen, dass sich viele Banken solidarisch zeigen und eine Finanzierung unter diesen Vorzeichen nicht anbieten. Wenn dann die Summe nicht gezahlt werden kann, droht die Zwangsversteigerung der finanzierten Immobilie.

Wer trotzdem nicht untätig sein will, sollte den eigenen Vertrag zunächst von einem spezialisierten Fachanwalt prüfen und bei positiver Prognose diesen auch die Kommunikation mit der Bank führen lassen.

Weitere Kritik am Gesetzentwurf
Verbraucherschützer bemängeln weiterhin, dass die Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Kreditablösung nicht endlich gedeckelt wurde, wie dies in anderen europäischen Ländern längst üblich ist. In Frankreich etwas beträgt dieses höchstens drei Prozent der Restschuld. In Deutschland sind hingegen oft mehr als 10 Prozent fällig und auch die Berechnungen sind für den Kunden zu intransparent und teilweise sogar nachteilig. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert daher eine faire Obergrenze von höchstens 5 Prozent.


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